von Martina Theiner
Martina Theiner hört in ihrem Pflegeberuf sehr viele Lebensgeschichten älterer Menschen. Auch der alte Koffer in ihrem Keller hat so einiges zu erzählen.
Eigentlich bin ich ein toller Typ, nicht zu groß und nicht zu klein, nicht zu dick und nicht zu dünn, anpassungsfähig und für vieles zu gebrauchen, jederzeit bin ich zum Koffern bereit. Nach außen hin wirke ich etwas kleinkariert, denn mein solider moosgrüner Grundton wird von aufgesetzten dottergelben Karos aufgelockert. Ja, ich habe Ecken und Kanten, wer hat die nicht? Aber, meine sind mit robustem Leder eingefasst und abgestumpft! Keiner kann sich an mir stoßen. Auf meinen, mit braunem, weichem Leder eingefassten Handgriff bin ich besonders stolz. Stabil und handfest ist er jederzeit und für jedermann griffbereit. Ja, ich bin ein teures Stück und bin mir meiner edlen Qualität wohl bewusst.
Nichts desto trotz bin ich reiselustig, neugierig auf Neues und allzeit bereit zu neuen Ufern los zu koffern und alles hinter mir zu lassen.
Das Äußerliche, ist für mich das Wesentliche denn ich bin das Äußerliche das Eingekoffertes zusammenhält und unsichtbar macht. Das Äußerliche das Vorstellungen schafft und Eindrücke hinterlässt, das neugierig auf das Eingekofferte macht, und darüber keine Grenzen setzt.
Wer mich aufkoffert, findet Platz für viele annehmliche Dinge, die an einem fremden Ort unabkömmlich sind!
Ich muss offen sein um loszukoffern, offen und bereit alles einzukoffern, das auf mich zukommt. Dabei kann ich es mir nicht aussuchen, eingekoffert ist eingekoffert.
Mit was ich immer alles zugekoffert werde! Da ist Freude auf eine bevorstehende Reise, da ist Ungewissheit bei einem Umzug, oder Angst vor einem Spitalsaufenthalt.
Während man am Ziel einer Reise die annehmlichen Dinge, ohne Probleme auskoffert, bleiben die Eindrücke, die Gefühle und die Erinnerungen bei mir eingekoffert, sie lassen sich nicht auskoffern und es ist ein Glück, dass sie keine Kubatur meines Innenraums beanspruchen, denn unermesslich ist diese nicht.
Letzten Endes kommt es dann doch auf den Inhalt an, auf die inneren Werte und deshalb stellt sich mir die Frage was braucht es wirklich, um gut durchs Leben zu koffern?
Mich vollzukoffern, bis sich mein selbstaufspringender Klick Klack Verschluss aus feinsten Messing nicht mehr schließen lässt, kann es doch nicht sein oder? Diese Überkofferung verformt mich und stellt mich vor eine Zerreisprobe. Auf die maßvolle Einkofferung kommt es an!
Aber was jammere ich über die Überkofferung, das war einmal! Schon lange schlage ich, trostlose Leere in mir, die Zeit tot. In einem Keller zwischen staubigen Kartonen eingeklemmt, dümple ich vor mir her. Ich, herrschaftlicher Koffer, beneide schon die Kartone rings herum, sie sind gefüllt, sie haben noch eine Aufgabe!
Natürlich, bin ich nicht mehr das neueste Model, aber ich bin ein teures Stück, aus gutem Hause! Ich bin einwandfrei intakt, habe weder Schrammen und Dellen! Mein Äußeres ist kein bisschen aufgeblasst und ich erstrahle noch in leuchtenden Farben und meine Klick Klack Verschlüsse funktionieren wie geschmiert!
Ich glaube, es liegt daran, dass ich keine Räder unter meiner Unterseite habe! So wie der Neue, der unter mir, immer griffbereit abgestellt ist! Mich muss man eben noch mit Händen tragen. Die Räder sind es, die mir der Neue voraushat, denn mit meinem Charakter und meinen Charme kann der nicht konkurrieren! Aber was nützt mir das schon, für mich hat es sich ausgekoffert!
Jede Woche eine neue Koffergeschichte!
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Eine Begleitaktion zur Sonderausstellung „Packen, tragen, rollen – Reisegepäck im Wandel der Zeit“ (2021)