Archiv für den Monat: Dienstag, der 22. Juni 2021

Mein himmelblauer Koffer

von Karlies Gottardi

Nachdem ich viele Jahre mit zu viel Gepäck in Zügen Fliegern und Autos gereist bin habe ich mich entschlossen mir ein Koffer zu kaufen, der die perfekten Handgepäckmaße besitzt, zudem noch schön (himmelblau) und wie der Name schon sagt, handlich ist .

Meine erste Reise mit dem neuen Stück ging von Frankfurt nach Halifax um mir einen meiner langersehnten Träume zu erfüllen nämlich die Kanadischen Atlantikprovinzen mit dem Auto zu bereisen.

In Frankfurt am Flughafen musste ich dann feststellen, dass ich mein inzwischen schon so heißgeliebtes Köfferchen nicht als Handgepäck aufgeben konnte da das Gewicht, vorgesehen für Handgepäck knappe 1kg überschritten hatte! Was für eine Riesenenttäuschung mich so schnell schon wieder von meinem Koffer zu trennen. Da ging er nun dahin auf dem Band des Check-in Schalters!

Entspannter Flug nach Halifax und warten am Gepäckband. Es warteten immer weniger Menschen und zum Schluss stand ich alleine da und kein himmelblauer Koffer erschien auf dem Band!!

Der kleine Koffer ist in Frankfurt geblieben, er war definitiv nicht dazu bestimmt im Bauch der großen Air Canada Maschine zu reisen! Nach der Vermisstenmeldung und dem  Ausfüllen sämtlicher Dokumente und der ehrlichen Beantwortungen aller Fragen, auch der ob ich wohl ein „Rifle“,Gewehr ,in meinem Koffer hätte, holte ich meinen Mietwagen ab und machte mich auf den Weg zu meinem Hotel in Halifax auch mit dem Versprechen der Fluggesellschaft, dass der Koffer mit der nächsten Maschine käme und mir ins Hotel, indem ich zwei Nächte gebucht hatte, gebracht würde.

Nach  zwei Tagen war von meinem Koffer nichts zu sehen und auch nach nochmaligem telefonieren mit der Fluggesellschaft und weiterer Fragen ob sich nicht doch vielleicht Waffen oder Drogen darin verstecken würden fuhr ich weiter über Peggys Cove Übernachtung kein Koffer- Mahone Bay Übernachtung kein Koffer- und so langsam gewöhnte ich mich daran, am Abend mein Shirt und die Unterwäsche zu waschen und überlegte mir dabei, warum um alles in der Welt mein Koffer das eine Kilo überschritten hatte.

Der nächste Tag führte mich nach Lunenburg in ein entzückendes Bed and Breakfast mit traumhaftem Blick auf den Atlantik. Kaum war ich in meinem Zimmer als die Vermieterin mich rief um mir mitzuteilen, dass soeben ein Köfferchen für mich abgegeben wurde. Da stand er nun mein himmelblauer Koffer und obendrauf saß ein schwarzer kleiner Bär umgebunden war ihm ein Halstuch mit dem Logo der Air Canada und einem Entschuldigungsschreiben.

Alle meine künftigen Reisen habe ich mit dem himmelblauen Koffer gemacht und nie mehr hat er die 6 kg überschritten im Gegenteil er leidet jedes Mal an Untergewicht und mit zunehmendem Alter und Reiseerfahrung habe ich gelernt mit wie wenig Gepäck man in den Ferien auskommt.

Mein himmelblauer Koffer ist nach wie vor mein Reisebegleiter steht unter meinem Bett und wartet sehnsüchtig darauf wieder hervorgeholt zu werden.

 

 

Jede Woche eine neue Koffergeschichte!

Hier geht’s zum Podcast.

Eine Begleitaktion zur Sonderausstellung „Packen, tragen, rollen – Reisegepäck im Wandel der Zeit“ (2021)

 

Koffern

von Martina Theiner

Martina Theiner hört in ihrem Pflegeberuf sehr viele Lebensgeschichten älterer Menschen. Auch der alte Koffer in ihrem Keller hat so einiges zu erzählen.

Koffer_TheinerEigentlich bin ich ein toller Typ, nicht zu groß und nicht zu klein, nicht zu dick und nicht zu dünn, anpassungsfähig und für vieles zu gebrauchen, jederzeit bin ich zum Koffern bereit. Nach außen hin wirke ich etwas kleinkariert, denn mein solider moosgrüner Grundton wird von aufgesetzten dottergelben Karos aufgelockert. Ja, ich habe Ecken und Kanten, wer hat die nicht? Aber, meine sind mit robustem Leder eingefasst und abgestumpft! Keiner kann sich an mir stoßen. Auf meinen, mit braunem, weichem Leder eingefassten Handgriff bin ich besonders stolz. Stabil und handfest ist er jederzeit und für jedermann griffbereit. Ja, ich bin ein teures Stück und bin mir meiner edlen Qualität wohl bewusst.
Nichts desto trotz bin ich reiselustig, neugierig auf Neues und allzeit bereit zu neuen Ufern los zu koffern und alles hinter mir zu lassen.

Das Äußerliche, ist für mich das Wesentliche denn ich bin das Äußerliche das Eingekoffertes zusammenhält und unsichtbar macht. Das Äußerliche das Vorstellungen schafft und Eindrücke hinterlässt, das neugierig auf das Eingekofferte macht, und darüber keine Grenzen setzt.
Wer mich aufkoffert, findet Platz für viele annehmliche Dinge, die an einem fremden Ort unabkömmlich sind!
Ich muss offen sein um loszukoffern, offen und bereit alles einzukoffern, das auf mich zukommt. Dabei kann ich es mir nicht aussuchen, eingekoffert ist eingekoffert.
Mit was ich immer alles zugekoffert werde! Da ist Freude auf eine bevorstehende Reise, da ist Ungewissheit bei einem Umzug, oder Angst vor einem Spitalsaufenthalt.
Während man am Ziel einer Reise die annehmlichen Dinge, ohne Probleme auskoffert, bleiben die Eindrücke, die Gefühle und die Erinnerungen bei mir eingekoffert, sie lassen sich nicht auskoffern und es ist ein Glück, dass sie keine Kubatur meines Innenraums  beanspruchen, denn unermesslich ist diese nicht.
Letzten Endes kommt es dann doch auf den Inhalt an, auf die inneren Werte und deshalb stellt sich mir die Frage was braucht es wirklich, um gut durchs Leben zu koffern?
Mich vollzukoffern, bis sich mein selbstaufspringender Klick Klack Verschluss aus feinsten Messing nicht mehr schließen lässt, kann es doch nicht sein oder? Diese Überkofferung verformt mich und stellt mich vor eine Zerreisprobe. Auf die maßvolle Einkofferung kommt es an!
Aber was jammere ich über die Überkofferung, das war einmal! Schon lange schlage ich, trostlose Leere in mir, die Zeit tot. In einem Keller zwischen staubigen Kartonen eingeklemmt, dümple ich vor mir her. Ich, herrschaftlicher Koffer, beneide schon die Kartone rings herum, sie sind gefüllt, sie haben noch eine Aufgabe!
Natürlich, bin ich nicht mehr das neueste Model, aber ich bin ein teures Stück, aus gutem Hause! Ich bin einwandfrei intakt, habe weder Schrammen und Dellen! Mein Äußeres ist kein bisschen aufgeblasst und ich erstrahle noch in leuchtenden Farben und meine Klick Klack Verschlüsse funktionieren wie geschmiert!
Ich glaube, es liegt daran, dass ich keine Räder unter meiner Unterseite habe! So wie der Neue, der unter mir, immer griffbereit abgestellt ist! Mich muss man eben noch mit Händen tragen. Die Räder sind es, die mir der Neue voraushat, denn mit meinem Charakter und meinen Charme kann der nicht konkurrieren! Aber was nützt mir das schon, für mich hat es sich ausgekoffert!

Jede Woche eine neue Koffergeschichte!

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Eine Begleitaktion zur Sonderausstellung „Packen, tragen, rollen – Reisegepäck im Wandel der Zeit“ (2021)